Holger Cecco-Stark, Head of Facility & ECO-Management beim Bergsport-Ausrüster Bergzeit, spricht auf dem E-Commerce-Tag am 9. Oktober 2024 in Regensburg über Nachhaltigkeit im E-Commerce. Er verantwortet bei Bergzeit seit über 10 Jahren unter anderem den Bereich der Nachhaltigkeit.
ibi research: Herr Cecco-Stark, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns Rede und Antwort zum Thema Nachhaltigkeit im E-Commerce zu stehen. Warum ist das Thema Nachhaltigkeit besonders im E-Commerce ein so wichtiges Thema?
Holger Cecco-Stark: Heute sollte nachhaltiges Handeln selbstverständlich sein. In meinen Augen kommt es dabei auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen an und es ist schwierig Bereiche zu definieren, in denen das Thema wichtiger ist als in anderen. Ein Konkurrenzdenken im Sinne von Branche A ist besser als Branche B ist in meinen Augen eher kontraproduktiv. Häufig kommt es auf den Kontext und die Möglichkeiten an. Oftmals wird dem stationären Handel ein Nachhaltigkeitsvorteil gegenüber dem E-Commerce zugesprochen. Leider ist die Wahrheit nicht schwarz-weiß. Auf der einen Seite stehen hohe Emissions-Belastungen durch Lagerhaltung und logistische Prozesse. Auf der anderen Seite stehen der Unterhalt und die attraktive Präsentation von Verkaufsflächen. Da spielen Themen wie Heizung, vermehrt auch Kühlung, Beleuchtung und Flächenverbrauch eine große Rolle. Nicht zuletzt trägt auch der Kunde mit seinem Verhalten zu einer nachhaltigen Wirkung bei. So ist es weder nachhaltig mit einem SUV 30 km in die Innenstadt zu fahren, um ein Paar Socken zu kaufen, noch eine Auswahlbestellung im E-Commerce über 9 Paar Schuhe zu tätigen und alle wieder zurückzusenden. Beides kommt vor. Daher ist für mich die Frage wichtiger, welche Maßnahme kann ich als Unternehmen oder Privatperson durchführen. Hier stehen meiner Meinung nach der Bezug von echtem Ökostrom und die Wahl einer nachhaltigen Bank ganz weit oben.
ibi research: Was tun Sie bei Bergzeit für einen nachhaltigen E-Commerce?
Holger Cecco-Stark: Zunächst ist es für uns wichtig, das eigene Unternehmen und die Prozesse zu optimieren. Als EMAS zertifiziertes Unternehmen sind wir in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der darauf abzielt, die eigene Umweltwirkungen zu reduzieren. Das fängt bei der Verwendung von LED-Beleuchtung an und geht über Stromsparmaßnahmen hin zu Abfallvermeidung und -trennung. Ein Punkt, der für uns eine große Aufgabe darstellt, ist die Reduzierung der Emissionen bei der Anfahrt unserer Mitarbeitenden. Dort haben wir bereits viele Maßnahmen, wie z. B. Jobrad, kostenloses Laden von E-Fahrzeugen für Mitarbeitende, 50 Prozent Zuschuss zum Deutschlandticket, umgesetzt, und sind jedoch noch immer nicht am Ziel, diese Emissionen um die Hälfte zu reduzieren.
Ein weiterer großer Meilenstein für den Standort in diesem Jahr ist die Umstellung unserer Gasheizung auf elektrische Wärmepumpen. In Verbindung mit unserer PV-Anlage ist das eine ideale Lösung, die uns voranbringt.
Im Bereich unseres Kerngeschäfts gibt es einige Punkte, an denen wir stetig arbeiten. Wir reduzieren unsere Kartons automatisch auf die Füllhöhe, um Versandvolumen, aber auch Füllmaterial zu sparen. Dazu sind wir bestrebt unseren Anteil an Versandtüten zu erhöhen. Die Papiertüten haben eine bessere Umweltbilanz als Versandkartons.
Wichtig ist es uns auch, unseren Kunden eine professionelle Kaufberatung zu bieten. Dies passiert im Internet durch verschiedene Beratungsansätze automatisiert, bei Bedarf aber auch persönlich durch unseren Kundenservice, den wir in unserem Headquarter betreiben. So können Fehl- und Auswahlbestellungen vermieden werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Kreislaufwirtschaft. Im gesamten Unternehmen versuchen wir zirkulär zu denken. Für unsere Kunden haben wir vor über zwei Jahren Bergzeit RE-USE gelauncht, eine Secondhand-Plattform für Bergsportkleidung und Ausrüstung. Dort können Menschen Produkte verkaufen, die sie nicht mehr benötigen und im Gegenzug gebrauchte Ware einkaufen. Dies ist ein großer Schritt, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Dabei sind wir uns bewusst, dass die Verlängerung der Lebensdauer von Produkten nur ein erster Schritt auf dem Weg zur wirklichen Kreislaufwirtschaft sein kann.
ibi research: Was plant Bergzeit an zukünftigen Maßnahmen, um Nachhaltigkeit im Unternehmen noch mehr zu etablieren?
Holger Cecco-Stark: Durch EMAS ist die Nachhaltigkeit im Unternehmen bereits tief verankert. Ein Umweltteam mit Mitarbeitenden aus allen Resorts sorgt dafür, dass nachhaltige Themen überall präsent sind und im Umkehrschluss auch Maßnahmen zur Verbesserung aus den einzelnen Abteilungen angegangen werden.
Weiterhin ist es für uns wichtig eine möglichst hohe Transparenz der für uns wesentlichen Themen und Handlungsfelder zu haben. So sind wir zurzeit in der Vorbereitung auf die CSRD-Berichtspflicht mit der Wesentlichkeitsanalyse beschäftigt, um nochmals einen anderen Blick auf die wesentlichen Punkte zu bekommen.
Seit 2019 erstellen wir jährlich eine Klimabilanz nach dem GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol). So können wir unsere Fortschritte, manchmal auch Rückschritte, messen und geeignete Maßnahmen einleiten. Daraus ist z. B. unser Ausstiegsplan aus fossilen Energien entstanden, den wir voraussichtlich im Jahr 2025 komplett umgesetzt haben werden.
Im Bereich eines nachhaltigeren Versands arbeiten wir parallel an mehreren Lösungen, wie beispielsweise an der Wiederverwendung von Kartonagen, aber auch am Einsatz von Mehrwegverpackungen.
Herr Cecco-Stark, herzlichen Dank für das Interview!