E-Commerce kennt keine Grenzen


Viele Online-Händler:innen und Hersteller:innen verkaufen ihre Produkte nicht nur im Inland, sondern heute schon in verschiedene Länder. Ähnliches gilt für den B2B-Sektor, beim Handel zwischen Unternehmen. Diese Entwicklung ist überwiegend dadurch getrieben, dass es den Konsument:innen und Unternehmen zunehmend egal ist, wo sie einkaufen – entscheidender ist das „Wie“.

Der internationale Online-Handel boomt! 4.280 Mrd. US-Dollar wurden im Jahr 2020 weltweit im E-Commerce mit Konsument:innen (B2C) umgesetzt – Tendenz steigend. Das veranlasst immer mehr Unternehmen dazu, ebenfalls über die eigenen Landesgrenzen hinweg zu verkaufen. Längst hat der grenzüberschreitende Online-Handel für viele Beteiligte einen hohen Stellenwert und ist keine Randerscheinung mehr.

Schaut man sich die nackten Zahlen einmal an, erwarten Marktforschende[1] bis zum Jahr 2024 weltweite B2C-Umsätze von 6.388 Mrd. US-Dollar. Das ist ein Plus von 90 Prozent auf Basis der 2019er-Werte. Die Corona-Pandemie sollte diese Schätzungen noch weiter befeuern. Ein Blick auf die deutschen Unternehmen zeigt, dass hier 68 Prozent im Jahr 2019 davon ausgingen, dass das Auslandsgeschäft für sie stärker an Bedeutung gewinnt. (Mehr dazu in der DIHK-ibi-Studie zum Internationaler E-Commercehttps://ibi.de/veroeffentlichungen/Erfolgsfaktoren-im-internationalen-E-Commerce). Weitere Faktoren wie sinkende Eintrittsbarrieren in viele ausländische Märkte oder vereinheitlichte Regularien und Rechtsprechungen unterstützen diese Entwicklung.

Betrachtet man nun den Cross-Border-E-Commerce in Europa, zeigen Untersuchungen, dass hier in den letzten Jahren die grenzüberschreitenden Einkäufe deutlich zugenommen haben. Im vergangenen Jahr haben 220 Millionen Europäer:innen über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg eingekauft – 10 Prozent mehr als vor zwei Jahren.[2] Die meisten Personen, die grenzüberschreitende Einkäufe tätigen, verzeichnen Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien.

Anzahl der Personen im Alter von 15-79 Jahre, die im Jahr 2020 grenzüberschreitende Online-Einkäufe getätigt haben in Millionen [5]

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Damit kaufen im Schnitt der untersuchten Länder 56 Prozent der Gesamtbevölkerungen und 86 Prozent der Erwerbstätigen grenzüberschreitend ein. Insbesondere der hohe Wert in der Gruppe der Erwerbstätigen erhöht die Attraktivität für viele Anbieter.

Über 80 Prozent der deutschen Handelsunternehmen verkaufen bereits ins Ausland

Die DIHK-ibi-Studie hat zudem herausgefunden, dass bereits 66 Prozent der deutschen B2C- und B2B-Handelsunternehmen aktiv ins Ausland verkaufen. 17 Prozent verkaufen zwar nicht aktiv, nehmen aber Aufträge aus dem Ausland an. Weitere 7 Prozent planten das bei der Datenerhebung, während 10 Prozent keine Aufträge aus dem Ausland annahmen und es auch in Zukunft nicht vorhatten.

Wenn man sich die genutzten Vertriebskanäle genauer anschaut, unterscheiden sich B2C- und B2B-Händler:innen deutlich. Im B2B dominieren immer noch die etablierten Strukturen und der Außendienst ist der am stärksten genutzte Kanal (59 Prozent) vor dem Online-Shop (48 Prozent), Messen (46 Prozent) und Katalogen (30 Prozent). Marktplätze und weitere digitale Absatzwege spielen hier keine so große Rolle. Ganz anders sieht es hingegen im Verkauf an Konsument:innen aus. Zwar liegt hier der eigene Online-Shop aktuell noch an erster Stelle (79 Prozent), Amazon (34 Prozent) und eBay (30 Prozent) als international agierende Marktplätze folgen aber bereits auf den weiteren Podestplätzen. Interessanterweise werden an vierter Stelle schon ausländische Marktplätze (16 Prozent) genannt. Gespräche mit herstellenden und Handelsunternehmen zeigen, dass insbesondere etablierte ausländische Marktplätze eine Chance sein können, um in einem Land schnell Kundschaft zu gewinnen. Natürlich können die in vielen Ländern agierenden Marktplätze Amazon, eBay oder auch Mercateo das ebenfalls bieten, es kommt aber immer auf die Stellung des einzelnen Marktplatzes in einem Land an.

Über welche Vertriebskanäle verkaufen Sie an Konsument:innen bzw. Unternehmen im oder ins Ausland? [6] (Mehrfachauswahl möglich)

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Marktplätze an sich vereinfachen durch ihre bestehenden Prozesse und Abläufe, die vorhandene Kundschaft sowie die Bekanntheit in einem Land oftmals den Markteintritt. Jedoch begibt man sich hier auch in die oft zitierte Abhängigkeit und muss gut kalkulieren, ob die eigene Marge die Kosten für den Verkauf über einen Marktplatz erlaubt. Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen den Verkauf in ein Land häufig über einen Marktplatz testen und dann weitere Kanäle, insbesondere den eigenen Online-Shop, ergänzen. 

Jedoch funktioniert das Dr.-Oetker-Prinzip „Man nehme…“ nicht für alle Länder. Jedes Land hat eigene Marktplätze, Online-Shops bzw. Einkaufsgewohnheiten, die sich etabliert haben. Das extremste Beispiel ist wohl China: Während Händler:innen in Deutschland ihre Produkte hauptsächlich über den Online-Shop (54 Prozent) und über Marktplätze (32 Prozent) absetzen, sind es in China 14 bzw. 21 Prozent bei diesen beiden Kanälen. Der größte Anteil, nämlich 76 Prozent, entfällt auf andere Kanälen wie Apps, Social Medie und Co.

Landestypische Verkaufsaktionen als Gewinnbringer

Neben den unterschiedlichen Vertriebskanälen sollten auch landestypische Verkaufsaktionen bzw. Feiertage mitberücksichtigt werden. Das sind bei uns neben Weihnachten und Ostern beispielsweise Anlässe wie Mutter- oder Vatertag, in ausländischen Märkten können noch ganz andere Tage bzw. Aktionen relevant sein. In China muss hier sicher der 11. November, der Singles' Day, genannt werden. 2009 startete der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba damit, dass er seinen Kund:innen am 11. November für 24 Stunden hohe Preisnachlässe gewährt. Die Konkurrenz folgte rasch. Mittlerweile hat sich der 11.11. als chinesischer "Shopping-Feiertag" etabliert. Letztes Jahr setzte Alibaba 74,1 Mrd. US-Dollar an diesem einen Tag um.[3] Zum Vergleich: Die Otto-Einzelgesellschaft erzielte im gesamten Geschäftsjahr 2020/21 (28. Februar) einen Umsatz von 4,54 Milliarden Euro.[4]

Zentrale Herausforderungen beim Cross-Border-E-Commerce

Nachdem in vielen Branchen und Produktsegmenten deutlich zu erkennen ist, dass die Online-Verkäufe ins Ausland weiter zunehmen, stellt sich immer wieder die Frage nach dem besten Weg, um an dieser Entwicklung zu partizipieren. Die meisten Unternehmen (64 Prozent) bereiten sich mehr oder weniger intensiv auf diesen Schritt vor. Die Analyse von rechtlichen Vorgaben, Preisen, Produkten und Wettbewerb gehört bei vielen genauso dazu wie das Aufsetzen einer passenden Marketingstrategie. Im besten Fall sollten ausführliche Kostenkalkulationen die Überlegungen ergänzen, da beispielsweise die finanziellen Aufwendungen für Versand und Logistik sowie für die Retourenabwicklung im Ausland deutlich höher sind als bei uns.

In welchen Bereich fallen für den Verkauf Ihrer Produkte im oder ins Ausland generell höhere, niedrigere oder gleich hohe Kosten im Vergleich zum Verkauf in Deutschland an? [6]

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Letztendlich bedarf es in den meisten Fällen eines Plans oder einer Strategie, um ausländische Märkte zu erschließen. Natürlich kann man auch einfach mal loslegen und dann seinen Aktionen anpassen, sobald es nötig wird. Für beide Wege gibt es sicher Argumente dafür und dagegen. Unternehmen müssen somit selbst entscheiden, wie sie vorgehen wollen. Hinweise darauf, was man aber auf jeden Fall beachten sollte, liefern die Gründe, die andere Marktakteur:innen nennen, weshalb sie nicht ins Ausland verkaufen. Hier stehen an oberster Stelle die rechtlichen Unsicherheiten beim Verkauf an Kund:innen aus dem Ausland (46 Prozent). 

Welche weiteren Hürden gibt es? [6]

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Internationaler E-Commerce: Wo geht die Reise hin?

E-Commerce ist global. Eine rein nationale Denke ist mittel- und langfristig schwierig. Viele Studien und Gespräche mit Händler:innen und herstellenden Unternehmen zeigen, dass der deutsche E-Commerce bereits „international“ aktiv ist  – aber noch deutlich Luft nach oben ist. Der Handel muss für die Chancen und Risiken sensibilisiert werden und selbst abwägen, inwieweit eine Internationalisierung für das eigene Geschäftsmodell Sinn ergibt. Fällt die Entscheidung auf die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf andere Märkte, ist der eigene Shop im Moment noch der präferierte digitale Vertriebskanal. Marktplätze, sowohl im B2C als auch im B2B, holen aber enorm auf. Mittelfristig bleibt dennoch der Multikanalvertrieb die vorherrschende Vertriebsform – wobei die Eigenarten von B2C und B2B nicht vernachlässigt werden dürfen. Stichwort: Außendienst.

Eine allgemeine Aussage im Sinne von „jeder muss grenzübergreifend verkaufen“ greift aber viel zu kurz. Das Geschäftsmodell muss es erlauben bzw. so modifizierbar sein, dass es für das Unternehmen Ertrag und Nutzen stiftet. An der geeigneten Infrastruktur und unterstützenden Services, wie Payment und Logistik, scheitert es in der Regel nicht. Die sind oftmals schon vorhanden und können genutzt werden. Problematisch sind eher die rechtlichen Unsicherheiten sowie bürokratische Hürden, die es Unternehmen erschweren, die Erschließung neuer Märkte voranzutreiben. Hier gibt es aber zahlreiche Hilfsangebote, Förderprogramme und Dienstleistungsunternehmen, die unterstützen können, teilweise sogar kostenlos.

Da die internationale Konkurrenz schon in vielen Fällen erkannt hat, dass ausländische Märkte eine lukrative Einnahmequelle sein können und die Expansion dieser auch stetig zunimmt, sollten deutsche Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand, das Thema nicht hintenanstellen. 

Die folgende Liste gibt eine Übersicht über Informationen, Links und Hilfsmaterialien, die bei den eigenen Überlegungen helfen können:



[1] Quelle: eMarketer 2020; https://www.emarketer.com/chart/242908/retail-ecommerce-sales-worldwide-2019-2024-trillions-change-of-total-retail-sales

[2] Quelle: Post Nord (2021 und 2019) E-Commerce in Europe 2020; https://www.postnord.se/siteassets/pdf/rapporter/e-commerce-in-europe-2020.pdf

[3] https://www.alibabagroup.com/en/news/article?news=p201112

[4] https://www.ottogroup.com/de/newsroom/meldungen/Otto-Group-hat-herausforderndes-Geschaeftsjahr-sehr-gut-gemeistert.php

[5] Post Nord (2021 und 2019) E-commerce in Europe 2020; E-commerce in Europe 2018; Statista 2021 

[6] „Internationaler E-Commerce – Chancen und Herausforderungen aus Händlersicht“ (ibi research 2019)