Nachgefragt bei CIBI-Referentin Anke Blietz-Weidmann, Präsidentin des BDIU

Anke Blietz-Weidmann, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), spricht auf dem CIBI Innovationstag am 26. März in München über die Herausforderungen im Forderungs- und Inkassomanagement. Die größte Herausforderung liegt dabei im Spagat zwischen technologischer Innovation und strengen gesetzlichen Regeln.

ibi research: Der Titel Ihres Vortrages auf dem CIBI Innovationstag am 26.03.2025 lautet: „Herausforderungen im Forderungs- und Inkassomanagement“ – das ist ja sehr weit gefasst. Welche Aspekte sind Ihnen hier besonders wichtig?

Anke Blietz-Weidmann: Der Spagat zwischen technologischer Innovation und strengen gesetzlichen Regeln ist vermutlich die größte Herausforderung. Nicht nur, weil die technologischen Möglichkeiten vermutlich oft über das gesetzlich Erlaubte hinausreichen könnten. Es geht auch darum, traditionelle Arbeitsweisen neu zu denken und mit Lösungen zu kombinieren, die zu besseren, effizienteren und transparenteren Ergebnissen kommen. Viele der gelernten Verfahren in den Finanz- und Rechtsdienstleistungen sind tief mit der DNA von Unternehmen und Personen verbunden. Es wird eine große Transformationsleistung und viel Veränderungswillen brauchen, um neuen Technologien den notwendigen Raum zu verschaffen. Stets unter den wachsamen Augen der Aufsichtsbehörden, der Betriebsräte und der Verbraucherschützer, mit denen wir gerade in diesem Aspekt sehr gern zusammenarbeiten würden. Denn der Schutz der Gläubiger- und der Schuldnerrechte ist am Ende des Tages der Maßstab, an dem sich jede Innovation messen lassen muss.

Zusammenfassend zeigt sich, dass der digitale Wandel im mittlerweile systemrelevanten Inkasso enorme Chancen eröffnet, aber auch neue Herausforderungen mit sich bringt. Gerade die systemische Vernetzung bedarf einer klugen Kombination aus technologischer Innovation, kontinuierlicher Weiterbildung und verantwortungsvollem Umgang mit Daten, um zu echten Verbesserungen zu kommen. Aber gerade wegen der hohen Komplexität lässt sich kaum ein besserer Weg vorstellen als die konsequente digitale Transformation unseres Geschäfts. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen – mit unserer Expertise und unserem Engagement – diesen Weg konsequent weitergehen und die Herausforderungen des digitalen Zeitalters erfolgreich meistern werden.

ibi research: Technologische Entwicklungen eröffnen neue Möglichkeiten im Inkassoprozess. Mittlerweile sind künstliche Intelligenz, Automatisierung und Big-Data-Analysen fester Bestandteil vieler Inkasso-Lösungen - oder ist hier noch Luft nach oben?

Anke Blietz-Weidmann: Die Digitalisierung der Finanz- und Rechtsdienstleistungen sowie aller weiteren Services, die entlang unserer Wertschöpfungskette eine Rolle spielen, hat gerade erst begonnen. Gut ist, dass wir auf einer grundsoliden Basis damit starten können: Schon entlasten wir Handel, Handwerk, Banken- und Dienstleistungssektor und sind die ordnende Hand in einer immer komplexer werdenden Prozesslandschaft.

In vielen Unternehmen sichern wir den Cash-Flow und sind längst über die Rolle des reinen Geldbeitreibens hinausgewachsen. Immerhin überweisen wir jährlich zwischen fünf und sechs Milliarden Euro zurück an die Gläubiger und stützen auf diese Weise deren Liquidität. Und auf der anderen Seite haben wir es immer noch mit gut 5,5 Millionen überschuldeten Menschen in Deutschland zu tun. Viele von Ihnen haben unsere Mitarbeitenden dann am Telefon. Und viele von ihnen sind froh mit kompetenten Menschen über konkrete Problemlösungen sprechen zu können. Immerhin werden vier von fünf Inkasso-Verfahren auf diese Weise gütlich beendet und nur fünf Prozent aller Fälle landet schließlich beim Gerichtsvollzieher.

Versuchen wir doch einmal die Dimensionen etwas fassbarer zu machen: Die fünfeinhalb Millionen Menschen stehen für 97 Millionen Euro an offenen Forderungen; jedes Jahr sind es rund 30 Millionen, die neu hinzukommen. Gleichzeitig sinkt deren Wert: Knapp 80 Prozent lieben unter 250 Euro und auf 94 Prozent steigt die Zahl, wenn wir die Grenze auf 1.000 Euro etwas nach oben verschieben. Die Masse der Inkassoverfahren dreht sich vermutlich also nicht um große Investitionen. Vielmehr deuten die Zahlen an, dass Verbindlichkeiten aus Mieten, Miet-Nebenkosten, Versicherungen, Telekommunikation und Konsum den Löwenanteil ausmachen. Nach Finanzkrise, Pandemie und Inflation erscheint das sehr plausibel.

Die Einnahmesicherung ist das traditionelle Kerngeschäft im Forderungsmanagement. Aber es ist mittlerweile nur noch ein Standbein. Ein ebenso wichtiger Teil unserer Leistungen konzentriert sich die Übernahmen ehemals interner Prozesse. Nicht nur, aber vor allem der E-Commerce hat dabei eine Vorreiterrolle. Hier beginnt die Dienstleistung am Warenkorb: Partner wie PayPal, Klarna, bezahl.de oder Riverty organisieren nicht nur das Forderungsmanagement, sondern sind oft bereits Teil des Bestell- und Zahlungsprozesses. Mit anderen Worten, hier geht es nicht um nur Entlastung von organisatorischem Aufwand. Hier geht es um einen Teil des Geschäftsprozesses. In diesem Sinne sind wir also längst systemrelevant.

Das lässt sich am Beispiel des „Buy-Now-Pay-Later“-Modells sehr gut zeigen. Hier wird nicht nur der gesamte Abrechnungs- und Zahlungsprozess vom Kerngeschäft gelöst. Mit ihm wechselt auch das Risiko des Zahlungsausfalls vom Markteilnehmer auf den Finanzdienstleister. Nun steht dieses Modell nicht für das gesamte Geschäft im Forderungsmanagement. Aber es hat ein Zeichen gesetzt und steht sicherlich Pate für den Versuch, sich möglicher Zahlungsausfallrisiken zu entledigen.

Im Zuge dieser Entwicklung wachsen Auftraggeber und Auftragnehmer auch auf der Ebene der Datenströme zusammen. Gerade hier wird die Digitalisierung viele neue Instrumente schaffen, die im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung, der Warenwirtschaft, der Logistik und eben auch im Risikomanagement eine wichtige Rolle spielen können. Da ist noch sehr viel Musik drin.

Etwa 15.000 Mitarbeitende in den mehr als 400 BDIU-Mitgliedsunternehmen sorgen dafür, dass 80 Prozent der Inkassoverfahren außergerichtlich beigelegt werden; nur fünf Prozent gehen ins gerichtliche Mahnwesen und davon enden zwei Drittel (2,7 Millionen) mit dem Besuch eines der 4.300 Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern. Das sind pro Jahr mehr als 600 Fälle pro Kopf und vermutlich ein Vielfaches an vergeblichen Besuchen bei den Schuldnern. Ohne die Inkasso-Branche, hätte das gerichtliche Mahnwesen vermutlich längst kollabiert.

Ein Teil unserer Wachstumsdynamik kommt also daher, dass wir als funktionaler Teil für immer mehr Branchen den Zahlungsverkehr stabil und die Liquidität hoch halten. Ein anderer Teil bezieht sich eher auf die stabilisierende Wirkung für den Finanzmarkt. Auch hier wird Forderungsmanagement eingesetzt, um Liquidität zu sichern und Risiken in der Bilanz zu minimieren. Die Reduzierung der Days Sales Outstanding (DSO) und Wertberichtigungen, aber auch um die Beschleunigung der Prozesse im Forderungsmanagement und die Verbesserung der Zahlungsmoral der Kunden spielen dabei eine große Rolle. Die marktstabilisierende Funktion leitet sich aber nicht zuletzt daraus ab, dass Inkasso-Unternehmen als Finanzdienstleister auch in den Handel mit notleidenden Krediten (NPLs) einsteigen. Dafür hat des Kreditzweitmarktgesetz die Weichen gestellt und man darf gespannt sein, ob sich trotz hoher Zugangshürden durch den Gesetzgeber, ein Markt entsteht, der den Banken neue Möglichkeiten und so mehr Spielraum für die Kreditvergabe gibt. Das zu bewerten wäre jetzt sicherlich noch zu früh. 

Frau Blietz-Weidmann, herzlichen Dank für das Interview! Wer Sie gerne live erleben nöchte, findet unter www.cibi.de das gesamte Programm und die Anmeldung zum CIBI Innovationstag am 26. März in München.