Wie gefährlich sind die Schnäppchen bei Temu, SHEIN und Co.?

Kaum eine andere Entwicklung hat das Einkaufsverhalten in den vergangenen Jahren so stark verändert, wie der rasante Aufstieg chinesischer Plattformen wie Temu und SHEIN. Mit nur wenigen Klicks bestellen Kund:innen hier täglich neue Produkte und halten sie schon wenige Tage später in den Händen. Eingekauft wird oft zu Preisen, die zu schön klingen, um wahr zu sein – modische Kleidung für wenige Euros, Technik und Spielzeug für jedes Budgetlimit. Doch was auf den ersten Blick nach einem Konsumparadies klingt, wirft zunehmend kritische Fragen auf, nicht nur in Bezug auf Nachhaltigkeit oder Arbeitsbedingungen, sondern auch hinsichtlich Sicherheit, Fairness und Verbraucherschutz. 

Im Rahmen des Studienprojekts "Gefährliche Schnäppchen? Wie Drittstaatenhändler durch Regelbrüche den Wettbewerb gefährden – eine Analyse auf Basis von Testkäufen", das in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie der Bayerischen Gewerbeaufsicht entstanden ist und durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und den Handelsverband Bayern (HBE) gefördert wurde, sind wir genau dieser Frage nachgegangen: Wie “fair” beziehungsweise regelkonform agieren diese Plattformen wirklich?

Um darauf eine Antwort zu finden, haben wir auf den Plattformen Temu, SHEIN, AliExpress, Banggood und TikTok Shop insgesamt 182 Artikel bestellt. Dabei wurde eine breite Vielfalt an Kategorien abgedeckt, von Textil über Elektronik bis hin zu Spielzeug. Der Fokus lag auf Produkten, die besonders für die vulnerable Nutzergruppe der Kinder ausgelegt sind. In Zusammenarbeit mit der bayerischen Marktüberwachung wurden 28 Produkte zusätzlich einer vertieften Prüfung unterzogen, um die Einhaltung formaler und technischer Produktsicherheitsbestimmungen zu bewerten.

Die Ergebnisse zeigen auf, dass die Kritik an den sogenannten Drittstaatenhändlern gerechtfertigt ist: Fehlende Produktkennzeichnungen und –zertifizierungen, unspezifische Produktbeschreibungen und eine häufig niedrige Qualität sind nur einige der gefundenen Defizite. Darüber hinaus traten auf den untersuchten Plattformen zahlreiche weitere Auffälligkeiten wie Dark Patterns, Übersetzunglücken und technische Fehler auf. Auffällig ist zudem der vorsichtige Umgang mit Produktbezeichnungen durch die Plattformbetreibenden. Temu und SHEIN beschrieben beispielsweise zum Zeitpunkt der Untersuchung offensichtliche Sonnenbrillen ohne Nutzung des Wortes “Sonne”, offenbar um regulatorische Vorgaben zu umgehen.

Den Grund hierfür deckt das Ergebnis der vertieften Prüfung durch die bayerische Marktüberwachung auf. So hat keines der 28 detailliert geprüften Produkte beiden Prüfungen (technische und formale) standhalten können. Bei knapp einem Drittel der geprüften Produkte liegen sogar schwere Sicherheitsmängel vor, die ein klares Risiko für Verbraucher:innen darstellen.

Ergebnisse der Laborprüfung: 50 Prozent haben technische Anforderungen nicht bestanden, 96 Prozent formale Anforderungen nicht erfüllt, 29 Prozent stellen ein ernstes Risiko dar

Liefer- und Retourenangebot liegen dagegen näher an den gewohnten Standards deutscher Online-Käufer:innen. Auch wenn die Lieferzeiten plattformübergreifend aufgrund der langen Transportwege etwas länger ausfallen, kommen die Bestellungen meist auf gewohntem Wege bei den Kund:innen an. Auch die Retourenprozesse entsprachen im Allgemeinen dem Komfort etablierter Online-Händler. Negativ hervorgetan hat sich hierbei jedoch Banggood, denn dort standen die hohen Rücksendekosten meist in keinem Verhältnis zum ursprünglichen Produktpreis. Zusätzlich wurden bei Banggood zahlreiche Bestellungen bereits zu Beginn seitens der Plattform storniert.

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Die Befunde werfen nicht nur Fragen zum Verbraucherschutz auf, sondern auch zur Fairness der neuen Mitstreiter im Wettbewerb. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Unternehmen zukünftig an deutsche und europäische Standards und Regelungen anpassen oder ob verstärkte Regulation notwendig wird.