Forderungsmanagement der Zukunft – Analyse der Erwartungen von Konsumenten


Unternehmen für Inkasso- und Forderungsmanagement nehmen mit ihren Dienstleistungen eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben ihrer Unternehmenskunden ein. Ausfälle von Zahlungen in Milliardenhöhe werden durch die Aktivitäten der Branche verhindert, nicht selten sogar die Insolvenz eines Unternehmens. Aktuell muss sich allerdings auch die Inkassobranche mit den Auswirkungen der allumfassenden Digitalisierung sowie gesellschaftlichen und technischen Megatrends, die sich auf ihre Aktivitäten auswirken, auseinandersetzen.


Insbesondere auch in der Kunden- bzw. Schuldner-Interaktion lassen sich geänderte Erwartungen und neue Möglichkeiten in der passgenauen und lösungsorientierten Kommunikation der beteiligten Parteien erkennen. Um die Sicht eines Schuldners besser zu verstehen und Lösungen passgenauer anzubieten, wurden im Rahmen eines Studienprojekts mehr als 1000 Konsumenten dazu befragt. 

Zusammen mit den Unterstützern dieses Studienprojekts – der BID Bayerischer Inkasso Dienst GmbH und der Lowell Financial Services GmbH – wurde intensiv über die Themen nachgedacht, die für eine derartige Befragung von Bedeutung sind. Eine ebenfalls geplante Befragung von Mandanten zahlte bereits an dieser Stelle auf die Fragestellungen ein, um die Anforderungen aller Beteiligten im Inkassofall abzubilden.

Neben den für die Auswertung notwendigen Angaben (Alter, Bildung, Einkommen etc.) wurden folgende Themenbereiche adressiert: 

  • Erfahrung mit Inkasso (Häufigkeit des Kontakts, Höhe der ursprünglichen Forderung, Empfinden zum „Hello-Letter“),

  • Gründe der Versäumnis (übliche Zahlungsgewohnheiten, Entstehen der Forderung, Lebensbereich der Forderung),

  • Interaktion (bevorzugter Kontaktweg, Möglichkeit der Beschwerde, gewünschte Zahlungsvereinbarung, gewünschte Bezahlmethode, zusätzliche Angebote des Inkasso-Unternehmens, Nutzung des Self-Service-Portals),

  • Zukünftige Geschäftsbeziehung zum eigentlichen Vertragspartner.

Ausgewählte Ergebnisse dieser Konsumentenbefragung werden im Folgenden vorgestellt. Eingegangen wird dabei, sofern nicht näher erläutert, jeweils auf die Ergebnisse aller Befragten, also der Grundgesamtheit. Die sich zeigenden durchaus spannenden Unterschiede bei einer weiteren Vertiefung der Analyse z. B. nach Lebensbereich, in dem die Forderung entstanden ist, oder nach Alter der Konsumenten, werden jeweils explizit erläutert.

Erfahrung mit Inkasso

Bedingung für die Möglichkeit, an der Befragung teilzunehmen, war eine zumindest einmalige Beteiligung an einem Inkasso-Verfahren. Diese Bedingung war seitens des Panel-Dienstleisters durchaus herausfordernd, konnte aber letztlich von dem dann eingebundenen Unternehmen erfüllt werden. Zwei Drittel der Befragten hatte bereits einmal, ein Drittel bereits mehrfach mit einem Inkasso-Unternehmen zu tun. Der Großteil der Forderungen basiert dabei auf einen ursprünglichen Rechnungsbetrag von 50 Euro bis unter 500 Euro.

Gründe der Versäumnis

Da die befragten Personen alle bereits einmal oder sogar mehrfach mit einem Inkasso-Verfahren zu tun hatten, war ein genauerer Blick in die üblichen Zahlungsgewohnheiten sowie auf die Gründe für die Entstehung von nicht-beglichenen Forderungen von besonderem Interesse. 85 % der Befragten geben an, dass sie eine Rechnung für gewöhnlich zeitnah – spätestens nach 14 Tagen – begleichen. Auch geben 70 % der Befragten an, dass sie einen Rechnungsbetrag gerne in einer Summe begleichen, um den Vorgang zeitnah zu erledigen. Ein Viertel der Befragten zahlt darüber hinaus gerne in Raten, auch wenn dadurch ein höherer Gesamtpreis entsteht. Grund dafür ist die dadurch gewonnene finanzielle Flexibilität des Konsumenten.

Gründe der Versäumnis liegen nun insbesondere darin, dass irrtümlich nicht gezahlt wurde oder finanzielle Engpässe bestanden. Letztere waren begründet darin, dass unerwartet weniger Geld zur Verfügung stand als geplant oder dass außergewöhnlich hohe andere Ausgaben einer Zahlung entgegenstanden (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Wenn Sie an Ihr letztes Inkasso-Verfahren denken, wie kam es dazu, dass Sie die Zahlung zuvor nicht begleichen konnten? Ich konnte meine Rechnung nicht pünktlich bezahlen, weil …

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Entstanden sind die offenen Forderungen insbesondere beim Einkauf im Online-Handel sowie im Bereich der Telekommunikation, gefolgt von den Bereichen Abonnements und Energie / Wohn-Nebenkosten.

Interaktion

Die Meinung der befragten Konsumenten in Bezug auf die Interaktion mit dem Inkasso-Unternehmen nahm einen größeren Anteil der Fragen ein, da sowohl der Kontakt des Inkasso-Unternehmens zum Konsumenten und dessen Rückkanal als auch der Sonderfall der Beschwerde untersucht wurden. Aufgrund der Analysen im Vorfeld, insbesondere in der Literatur, aus Expertengesprächen und aus den Interviews mit Unternehmenskunden, ließ sich zunächst eine Tendenz zu „modernen“ Kommunikationswegen wie z. B. Messenger oder über Nachrichtendienste vermuten. 

Im Ergebnis ist es allerdings durchaus so, dass die Befragten in allen drei Fällen „etablierte“ Kontaktwege deutlich bevorzugen. Brief, E-Mail und Telefonat werden deutlich bejaht, Messenger hingegen z. B. eher abgelehnt. Die Betrachtung einer Verteilung nach Alter ergibt tendenziell ähnliche Aussagen, auch wenn etwa ein Drittel der Jüngeren (18- bis 29-jährige) „neuere“ Kontaktmöglichkeiten wie SMS, Nachrichten über WhatsApp, Videokonferenzen und Chatbots zumindest für denkbar hält.

Gewünschte Bezahlmethode

Einhergehend mit der beschriebenen Vermutung in Bezug auf die Kontaktkanäle wurde ebenso abgeleitet, dass dort eingebundene moderne Bezahlmethoden eine entsprechende Zustimmung erhalten werden. Aber auch in diesem Themenfeld werden aus Sicht des Schuldners zukünftig klassische bzw. bereits länger bekannte Bezahlmethoden – z. B. Überweisung, Paypal oder SEPA-Lastschrift – bevorzugt. Die Zustimmung für die Methoden Paydirekt, Apple Pay oder Google Pay ist gering ausgeprägt und nimmt zudem mit zunehmendem Alter deutlich ab. 

Self-Service-Portal und zusätzliche Angebote des Inkasso-Unternehmens

Zusätzliche Angebote von Inkasso-Unternehmen, wie z. B. Beratungsangebote zur besseren Einschätzung der eigenen Finanzlage, beurteilen die Befragten indifferent, eine klare Präferenz ist nicht erkennbar. Allerdings lehnen ältere Personen zusätzliche Angebote von Inkasso-Unternehmen tendenziell stärker ab als jüngere Befragte.

Auch die Nutzung eines Self-Service-Portals ist nicht für alle Befragten gleichermaßen attraktiv. Wichtigste Funktionen wären in einem solchen Angebot die Information zu jeweiligen offenen Forderungen, gefolgt von vielfältigen Bezahlmöglichkeiten (siehe Abbildung 2). 

Abbildung 2: Welche Funktionalitäten wären Ihnen in einem Self-Service-Portal am wichtigsten? Bitte wählen Sie genau drei aus.

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Fazit

Im Ergebnis zeigt sich, das die Einschätzung der Meinung von Unternehmenskunden, aber auch die von Branchenvertretern, in Teilbereichen nicht mit der tatsächlichen Meinung der Konsumenten übereinstimmt. In Teilen trifft dies z. B. auf die Kontaktwege und deutlich auf den Bereich der gewünschten Bezahlmethoden zu. Insofern hat sich die Vorgehensweise, neben einer Analyse der Unternehmenskunden auch eine Konsumentenbefragung durchzuführen, als absolut notwendig erwiesen. Mit dem Abgleich der Ergebnisse aus beiden Befragungen können in den beteiligten Unternehmen nun die Weichen gestellt werden, das Forderungsmanagement der Zukunft für beide Seiten passgenau zu gestalten.


Studienzusammenfassung zum Download:

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