In den Wirtschaftswissenschaften bezeichnet man als „Copycat“ ein Unternehmen, das die Geschäftsideen eines anderen Unternehmens kopiert, was nicht immer eine schlechte Idee sein muss. Das Anfang Juni in Deutschland als Beta-Version gestartete #AmazonHaul kann somit durchaus als Copycat von #Temu bezeichnet werden.
Nach dem Start in den USA und Großbritannien bietet Amazon nun Amazon Haul (Englisch für „Fang“) auch in Deutschland an. Die Produkte sollen alle 20 Euro oder weniger kosten. Die Produktauswahl ist aktuell noch sehr beschränkt, aber die Abläufe sind schon Amazon-typisch sehr intuitiv und analog den bekannten Abläufen.
Nach etwas Stöbern haben wir drei Produkte bestellt: zwei Waschsäcke für Turnschuhe für 8,76 Euro, einen Aufbewahrungsgurt für Kabel für 2,55 Euro und drei Sonnenbrillen in Herzform für 5,27 Euro. Da unser Warenkorb nur 16,58 Euro ausmachte, mussten wir noch 3,50 Euro Porto bezahlen. Ab 25 Euro wäre die Sendung versandkostenfrei gewesen. In Summe machte unsere Bestellung dann 20,08 Euro aus. Ein Geschenkgutschein, den wir noch in unserem Amazon.de-Konto hatten, wurde angerechnet und hat uns noch 6,59 Euro Ersparnis gebracht, so dass unsere Bestellung nun für 13,49 Euro aufgegeben wurde. Die identischen Artikel (Stückzahl, Farben, Preis, Bilder etc.) konnten wir übrigens nicht bei Temu finden. Aktuell werden alle Produkte noch durch „Haul Global“ versendet und verkauft. Dahinter steht laut eigenen Angaben Amazon Export Sales LLC, also Amazon selbst.
Bildquelle: Amazon
Laut Chinesellers hat Amazon Haul schon vor einem Jahr begonnen, ausgewählte chinesische Verkäufer anzuwerben. Die an Haul teilnehmende Verkäufer verschicken ihre Waren an ein von Amazon betriebenes FBA-Lager in Dongguan (China). Von dort übernimmt Amazon Lagerung, Auftragsabwicklung und die endgültige Lieferung an die Kundschaft – was die Logistik für die Verkäufer vereinfacht, während Amazon die Kontrolle über das Kundenerlebnis behält und wohl auch die Produktsicherheit im Auge behalten kann. Denn laut Amazon erfüllen sie dieselben Standards wie Angebote auf Amazon.de: „Die Haul-Produkte durchlaufen alle erforderlichen Amazon-Kontrollen, so dass sich Kundinnen und Kunden darauf verlassen können Produkte zu erhalten, die sicher sind und allen geltenden Vorschriften und den Amazon-Richtlinien entsprechen.“
Die Produkte wurden von uns am 5. Juni bestellt und sollten zwischen 12. und 17. Juni ankommen – was auch wirklich der Fall war. Am 14. Juni, also nach neun Arbeitstagen, hat Hermes die Sendung zugestellt. Über SF Express wurde die Sendung nach Europa gebracht. Alle Infos und der aktuelle Stand der Dinge waren stets in der Amazon-App ersichtlich.
Unser Zwischenfazit: Amazon Haul funktioniert von den Abläufen her wie Amazon.de. Nutzer sollten also keine Eingewöhnungsschwierigkeiten haben. Das beschränkte Produktangebot ist der aktuellen Testphase geschuldet, ob Amazon aber Temu, SHEIN und Co. grundsätzlich Konkurrenz machen kann, muss sich erst noch zeigen. Dass sich Amazon mit seiner eigenen Logistik sowie seinen Prozessen zwischen die chinesischen Produzenten und Händler und die deutschen Kunden setzt, erzeugt natürlich Vor- und Nachteile. Zwar kann man so die Qualität der verkauften Produkte besser kontrollieren und dadurch die Einhaltung von europäischen Vorgaben besser sicherstellen als es beim Direktversand durch die Hersteller möglich wäre. Aber eine direkte Anbindung und somit schnellere Produktion bei den Herstellern scheint nicht so einfach möglich.
Es bleibt also abzuwarten, ob die Copycat erfolgreich ist. Am 24. September 2025 beim E-Commerce Tag in Regensburg werden wir dazu aber hoffentlich mehr erfahren.